Die verschiedenen Plattboden-typen wurden fast ausschließlich in Holland revierangepaßt über viele Jahrhunderte als Arbeitswerkzeuge entworfen bzw gebaut: Fischer, Transporter, Schnellsegler oder Pläsier-Fahrzeug für untiefe bzw flache Gewässer . Sie wurden von einer Schiffbauergeneration zur Nächsten fortwährend weiter entwickelt bzw. perfektioniert. Die wichtigste Anforderung war Gemakelig gaan varen meint mit möglichst wenig Kraftaufwand und Manschaft auszukommen. So findet man in der Zuiderzee und Friesland voluminöse Transporter und Fischer wie Tjalken, Bollen und Lemmeraaken
Im wesenlich rauherem nordzee-angrenzendem Zeeland und dem Schelde Delta entstanden schon vor 400 Jahren ganz andersartige seefeste Segel-Fahrzeuge, vor allem Hoogaarzen als Krabben-Fischer. Hier JOHANNA von AMRUM als Pläsier Fahrzeug. Einhand segelnd fahre ich nur 2 Segel, meist ein Reff mehr als nötig, laß dann den kluiverbaum häufig zuhause
- Fliesenbild - aus Leo Johanna s feder-
Tegel, Fliese aus Leo s Feder zeigt einen Botter aus der Zuiderzee, wie sie heute immer noch gepflegt unsorgt restauriert und gevaren wird. Merkmale sind runder Vorsteven, Kluiverbaum und Segel, Fock und als Haupt Segel das an der Gaffel eingenähte Gros sowie das an der Lee-Seite gesteckte Seitenschwert.
2010: neuer vereinfachter Farb- Anstrich betont den charakterischen bzw. schlanken Hoogaars-Riss in der Seitenansicht. Damals hatte Sie noch keinen Luvbijter (Nase vorn am Unterwasserschiff). Baujahr 1983, Werft Dick Kloos, Leyden BRANDENDE LIEFTE. s. Stamboek nr. 2365, wurde 2023 ins holländische Register Stichting Ronde en Plattbodems aufgenommen. Für die Holländer lebendes Erbgut.
Ein revier-gerechtes, immer noch einhand zu segelndes Schiff für Wattenmeer u. Nordsee sollte weniger als 1m Tiefgang haben, muß auch bei Niedrigwasser noch außerhalb des Fahrwassers zurechtkommen, bei Schietwetter überall im Watt unterkriechen und problemlos trocken fallen können. Es muß aber auch in den Seegaten, im Rütergat und Schmaltief gegen 2 m hohe Welle aufkreuzen können. Also Hubkiel? Kielschwerter? oder seefester Plattboden? Wenn man keine Angst vor Seitenschwertern und einen Sinn für traditionelle Linien hat, keine „Yoghurt-Becher“ (Kunststoff-Schiffe) mag und wer wie wir mit der VROUWE WILLEMKE schon mal in einem 10 bft Sommersturm auf einem Steindamm vertrieben wurde und unbeschadet (außer ein paar Beulen im Platt-Boden) wieder frei gekommen ist, landet schnell bei einem robustem holländischen Stahlbau-Plattboden wie z.B.. Lemsteraak, Schokker, Bol oder Hoogaars.
Das ist der ursprüngliche Plan (1983) von
Dick Kloos. Ein traditionelles Plattboden Schiff von 11 m Länge über die Steven, aber nur 8,49 m Wasserlinie, so daß es in die kleinste Visserman -Klasse C konnte Segelzeichen (VC), um alle Regatten hierin zu gewinnen.
1995 lernten wir ihre Schwester, die VROUWE WILLEMKE vom Verleiher Heeg by de mar kennen. Zuerst hatte sich Kaike (damals 14j alt) in das Schiff verguckt. Wir beschlossen sogleich, Sie für 3 Wochen in unserem nordfriesischen Revier zu testen: Auf dem Weg nach Nordfriesland war das Dove Tief vor Norderney der erste Hoogaars-Test: Bei Windstärke 5 bft aus nw mit ablaufend Wasser – Strom gegen Welle - in die Nordsee auslaufen, was man nur mit absolut seefesten Schiffen machen sollte: Berg und Talfahrt (eigentlich Seeamtsfall).
Der Klüverbaum bohrte sich tief in jede dritte Welle ein. Der halben Mannschaft ging es schlecht, nur die Hoogaars blieb trocken. Kein Stampfen. Keine Wellenbremse. Komodiges Vorwärtskommen selbst unter miserablen Bedingungen. Abgesehen von zerdebbertem Geschirr, keine weitere Schadensmeldungen. Und damit war die Sache klar bzw. entschieden.
Sie (de boot = weiblich) hat ein weit überhängendes Vorschiff, schneidet die Welle wie mit einem scharfes Messer mitten durch , zodat de boot droog doorvart. Der beim Trockenfallen gröstenteils im Sand eingegrabene Luvbijter am Vorsteven verbessert den Trimm (Seegeleigenschaft) erheblich. Nachdem wir in schwerer See mehrere Seitenschwerter zerbrochen haben und Probleme mit der Versicherung bekamen, hat uns ein erfahrener Holländer ( Zeilmaker Jaap Jongsma) auf diese Idee gebracht. Luvbijter sind bei anderen Plattboden-Typen gängig. Mit Luvbijter können wir jetzt in schwerer See ohne Seitenschwert varen. (VAREN meint bootfahren, andere Arten der Fortbewegung haben das Verb rijden sowohl zu Fuss als auch mit Rad, Auto oder Flugzeug)
Wenn man im untiefen Watt- Wasser bei ablaufender Tide (Ebbe) keinen Hafen mehr erreichen kann, lässt man sein Plattbodenschiff einfach Trockenfallen. Hierbei kommen jetzt die eleganten schlanken Linien der schönen Dame besonders eindrucksvoll zur Geltung. Um einen möglichst minimalen Windwiderstand zu haben, sind die Aufbauten besonders flach gehalten, was die Seefestigkeit insbesondere Am-Wind erhöht. Nachteilig ist die geringe Stehhöhe in der Kajüte von 170 cm.
Als Dankeschön für ihre Segeleigenschaften und vor allem für ihre Gutmütigkeit hat die ursprünglich
stählerne Dame 2001 ein hölzernes Kleid bekommen. Erst das Kajütdeck. 2002 Kajütwand und Gang-borden; 2003 Plicht und Schandeckel, alles ohne eine einzige Schraube, bzw nur geklebt.
JOHANNA kann direkt vor unserer Tür (Haus) am wittdüner Nordstrand trockenfallen. Wenn ich früher Nachts ankam und im Dunkeln nicht mehr in den Hafen wollte, hab ich hier Anker geworfen. An Land konnte man dann die Kette durch die Ankerklüse rasseln hören. Eine extra Klar-Meldung war nicht nötig.
RumRegatta 2010 Start verpaßt; dennoch von Platz 26 an der Wende auf Platz 6 aufgeholt, da de boot in Böen auf 40 grad amwind anluvt, so daß wir das Ziel auf einem Bug mit durchgehend mit 7,5 ktn anliegen konnten. Dank der großen Lenzlöcher in der Plicht bleiben die Füße trocken. 2011 haben wir es bei Nullwind auf Platz 3 von allen geschaft, trotz 12,5 tons Verdrängung. Das nächste Plattbodenschiff kam erst eine ganze Stunde später über die verkürzte Ziellinie. Foto J. Staugaard
Nachdem uns, auf der Anreise zur Rumregatta 2004 in der Flensburger-(Düse)-Förde, eine kurze harte Böe platt gelegt hat – Johanna verhielt sich dabei wie eine ordentliche Dame, d.h. richtete sich sogleich wieder artig auf, schüttelte sich wie ein nasser Pudel und fuhr sogleich ungerührt weiter - haben wir nochmals 500 kg Bleiballast auf den Salonsteven unter die Grätings gelegt.
Gangborden unter Wasser , Kein Ruderdruck, d. h. guter Trimm bzw. richtige Kraftverteilung zwischen den Vorsegeln und dem zweifach gerefftem Grossegel: de boot ist in guter Balance der Kräfte vor und hinter dem Mast, so daß der Rudergänger kaum Arbeit hat. Das mächtige Ruder des Plattboden-Seglers steht mitschiffs. Wenn nicht hat es die Wirkung einer mächtigen Bremse. Die Vorschoter in Lee müssen sich gut festhalten.
Mit der, durch 2 reffs verkleinerten Segelfläche kann JOHANNA Wind- Boen bis 6 bft gut vertragen, dann muss das Grossegel bzw der Giekbaum weiter aufgefiert werden. Boen bis 7 bft verträgt SIE mit einem kleinem Kuiversegel und 3 reff Gros und ist dann ein Schlechtwetter-Segler.
Schon bei einem schwachen Lüftchen fängt sie an zu laufen, kreuzt wie hier im engen Ilef-fahrwasser unter Langeness
problemlos auf, so daß wir in einer ganzen Segelsaison weniger als 200 l Diesel verjockeln, einschließlich zweier NO-Kanal-Passagen.
Heute legen wir JOHANNA gerne auf die Seite, wenngleich Küchen-Geschirr und Kühlschrankinhalt dabei relativ kurze Halbwertszeiten haben, mittlerweile haben wir auf hoher See 4 Schwerter in schwerer Zee zerfetzt, s. DE ZEE EN NIET DE WIND, ohne Gefahr für das Schiff.
Zur SEEKLAR-Meldung gehört seitdem, neben Klar bei Seeventilen, Verriegeln der Kühlschranktür . Die Petroleumlampe im Salon haben wir nach Haverie ( großer Öl-Fleck) zusätzlich nach unten zum Tisch abgebändselt um das Geschläuder in wilder See zu bändigen. An der stabilen Aufhängung erkennt man im Übrigen, wie viel ein Schiff bewegt wird.
Trockengefallen wird die Linienführung am eindruckvollsten sichtbar, insbesondere der breite Rumpf und die abgerundete Heckform, mit dem charakteristischem hoog arsch, der die brechende Welle der durchlaufenden hohen Zee abhält und damit auch namensgebend für diesen ehemaligen Krabbenfischer aus der Scheldemündung war, und wie hier zu sehen den Wasser-Abstrom-Sog vermindert , bzw die Geschwindigkeit verbessert. Die scharfe Kimm hat eine gute Kursstabilität zur Folge, ähnlich wie bei einem Langkieler, außerdem muß dabei das Schwert auch nicht so tief stechen wie bei einem Rundboden.
warum ist JOHANNA blos so furchtbar DICK ?
Das untiefe Wasser im Wattenmeer erlaubt nur einen geringenTiefgang. Deswegen kann man den Winddruck nicht einfach mit einem tiefen Ballastkiel ausgleichen. Zunehmender Winddruck legt ein segeltragendes Schiff auf die Seite bzw. flach, bis zum Kentern. Kenterstabiltät eines Plattbodens kann in flachen Gewässern nur durch Formstabilität erzielt werden, d.h. breite Rumpfform tut not. Zunahme der Schiffs-Breite erhöht die Stabilität nicht nur linear sondern exponentiell. Dadurch kann das Schiff bei zunehmendem Wind länger aufrecht segeln bzw. mehr Segelfläche tragen. Ein aufrecht segelndes Schiff hat den geringsten Widerstand und kommt so schneller voran: gemakelig gaan varen ist die filosofi der Holländer, meint: Vermeiden unnötiger Anstrengungen!
Bezogen auf den Wasserpass beträgt das Verhältnis max.Länge/max.Breite: 8.50m zu 3.60m, je breiter desto mehr Formstabilität: Deswegen ist JOHANNA so dick. Schlanke und damit ranke Bootsformen sind nur mit Kompensation durch einen tiefgehenden Ballastkiel lange aufrecht zu segeln und gehören auf die offene tiefe See, aber nicht ins Wattenmeer, zumindest nicht außerhalb des Tonnenstrichs! Sie haben im Gegensatz zu Plattbodenschiffen eine hohe Endstabilität, richten sich immer wieder auf.
Bei Starkwind wie hier zu sehen (2010 Tee-Regatta, Accumer Ee, Joke am Ruder) ist ein relativ kurzer Mast und damit tiefer Segelmittelpunkt von Vorteil, um nicht schon bei relativ geringen Windstärken reffen zu müssen.
Durch den geringen Tiefgang (90 cm) eines Plattboden kommt JOHANNA bei normalem Wasserstand noch in die schönsten und einsamsten Naturhäfen, wie hier auf Appelland (Gröde). Sturmfest sind die Anleger hier nicht. Das ist abgesehen von Landunter mit Starkwind auch nicht nötig. Sturmfest sind die Anleger hier nicht. Es riecht hier stark nach Minze durch das aromatische silbernfarbene Wermutskraut (Artemisia absinthium ), aus dem u.a. Absinth gemacht wird. Wermutskraut wird in der Bibel als Besonderheit erwähnt; einer Version nach entsprang er auf dem Weg, den die Schlange bei der Vertreibung aus dem Paradies nahm.
Dieser Platz hier ist der einzige im Wattenmeer, wo man das sonst aufweckende Plätschern des wiederkehrenden Flutstromes an der Bordwand nicht hört, da es sich um die letzte Wiese des Strombetts handelt, so daß ich morgens früh bei Tagesanbruch fast das HW verschlafen hätte. Schon kurz nach Sonnenaufgang spazieren hier die eingeborenen Austernfischer ärgerlich und laut spektakelnd übers Deck .
Noch im Halbschlaf , Kopf halb in der Decke, hört man dann, wie unangenehme Zeitgenossen aus der Nachbarschaft oder ehemalige Chefs über DICH palavern und dummes Zeug reden. Wenn man dann immer noch halb trunken rasch die Lucke aufreist und den Kopf über Deck hebt, gibts hier nur Enten aller Sorten, mit menschen ähnlichem Klang ihres Palavern in den Wiesen von Gröde-Appelland,
6 std später ist das Wasser wieder weggelaufen. Johanna hat sich leicht auf die Kante gelegt. Die Vögel sind ins trockengefallene Watt zum Mittagessen weg geflogen. Das Großsegel ist ordentlich an die Gaffel gebändselt.
Die Gaffel wird auf fast allen traditionellen Segelschiffen gevaren. Sie (gekrümmt oder gestreckt) ist ein Baum (Spiere oder Rundholz) mit einer mastseitigen Klau und einem Piek am äußeren Ende. In diesen Baum wird das Groß-Segel eingenäht. Im Vergleich zu einem spitzen Dreiecksegels wird die Segelfläche hierdurch erheblich (bis Faktor 2) vergrößert. Hierdurch wird der Segelmittelpunkt erheblich fußwärts verschoben und damit die (Kennter-)stabilität vergrößert.. und die Masthöhe erheblich reduziert.
Namensbrett mit verkürzter Kennung von JOHANNA aus Leo s Malkasten bzw. Feder. Die Vorlage stammt von der finnischen Schoner-Bark IDA, 1875 -im Geburtsjahr meiner Oma Ida- vor der schwedischen Westküste verloren gegangen.
Zu allen Zeiten haben die Schipper ihre Fahrzeuge so gut wie möglich mit Zierrat geschmückt. Das Schiff war Mehr denn ein Lastenesel. Joachim Ringelnatz meinte dazu:
Sie haben das mächtige Meer unterm Bauch. Und über sich Wolken und Sterne. Sie lassen sich fahren vom himmlischen Hauch, mit Herrenblick in die Ferne. Sie schaukeln kokett in des Schicksals
Hand -Wie trunkene Schmetterlinge- Aber sie tragen von Land zu Land- Fürsorglich wertvolle Dinge. Wie das im Wind liegt und sich wiegt, Tauwebüberspannt durch die Wogen, Da ist eine Kunst, die
friedlich siegt, Und ihr Fleiß ist nicht verlogen.Es rauscht wie Freiheit. Es riecht wie Welt. - Natur gewordene Planken. Sind Segelschiffe. - Ihr Anblick erhellt
Und weitet unsre Gedanken.
Vor 25 jahren
gab es
für die SCHÖNE DAME - damals 15 j jung-
ein neues Teak-kleid
15 mm stark
und 4 m lang
Bestellung bzw Bezug war nur über eine Firma möglich, heute niet langer verkrijgbaar !
JOHANNA v. AMRUM mit dem erstem Reff im Grossegel -op volle zee-. Der norddorfer Teil unserer amrumer Familien spendete uns 2000 dieses Bild von Ole West. Kaike besuchte ihn in seiner Malerei-Werkstatt auf Norderney und bekam als Segelmacher-Lehrling sogar einen Sonderpreis.
Wie manchmal im Leben hatte ich mich schon in meiner Jugend in ein Bild bzw.ein Foto verguckt: Hoogaars ALADDIN OB41 in "Ronde en Plattbodems" von Jan Lunenburg. Ich dachte damals wie auch heute darüber: Mann-o-mann : Für die Nordsee übertakelt? So fing die Geschichte mit dem Interesse an traditionellen Segelfahrzeugen an.
2004 , Johannas Holzkleid nach 4 langen Jahren Winterarbeiten endlich fertig