Viele Amrumer Geschichten fangen unter,m Kniep , oder aber manchmal auch in der mittlerweile weltbekannten Segler Kneipe BLAUE MAUS ( heute Jani Maus, früher Tante Käte) an, so wie auch diese: Unterm Kniep zogen und ziehen seit langer Zeit draußen auf See weisse Segel mit Wind und Tidenstrom am Horizont längs und weckten bei uns amrumer Jungs unvorstellbare große Neugier, Phantasie und Sehnsucht nach diesen fremden Seglern und der großen weiten Welt.
Eigentlich hatte ich meiner Frau Leonore JOHANNA versprochen, entweder ihr Elternhäuschen am Wittdüner Nordstrand auszubauen, oder ein ordentliches neues Segelschiff zu kaufen. November 1996, als wir mitten am Bauplanen waren, und ich überdies gerade den Koffer für meinen jährlichen Chicagokongress gepackt hatte, rief Martin Koekebakker aus Heeg – Westfriesland an: ” Willem dein Traumschiff ist zu verkaufen. Sie liegt draußen bei mir am Steg”. Wir (Gerrit, Sönke, Kaike, Leo und Willem) hatten im Jahr zuvor das Schwesterschiff, die VROUWE WILLEMKE bei Heech by de Mar gemietet bzw. 3 Wochen auf der Nordsee erprobt. Martin: ”Wenn Du sie nicht haben willst, kaufe ich sie.“ Was tun?
Dazu muß ich zunächst etwas weiter auffieren , d. h. ausholen bis etwas weiter in die Vergangenheit ...
Der Kniepsand heute unter Wriakhörn 2 km weit, ähnlich wie auf ihrer westfriesischen Schwester Schiermonikoog
Der Kniep spielte in unserer Jugend eine grosse Rolle. In den heute zugesandeten Kniep-Teichen z. B. unter Batjestieg nahe am Quermarken Feuer lernten wir ohne Anleitung schwimmen. Fremde nannten es Hundepaddeln. Wintersüber Strandholz klauen und in den Dünen verstecken.
Viele jahre später: JOHANNA auf dem Kniep trockengefallen.
Der Kniepsand ist der Dünenkante vorgelagert. Früher war es mal ein echter vom Land abgetrennter Sand. Die Wasserlöcher auf dem Kniep sind versandet. Fester Grund, gut geeignet für unterwasser Inspektion. Zu Zeiten meines Großvaters Jan Simon Jannen gab es noch einen Kniephafen. Heute ist er mit der Dünenkante verwachsen und wird nur noch bei Spingfluten und starken Westwindstürmen überspült. Diese Weite in Kombination mit dem ständigen Brandungsgeräusch ist am eindruck vollsten im Herbst und Winter zu hören und war wie Musik in unseren Kinder- Ohren.
Wegen der starken Brandung waren mehrere Versuche, längerfristig Landungsbrücken am norddorfer Kniep zu installieren, vergeblich, d.h. sie hielten nur für eine Saison dem Blanken Hans stand. Die Ostseite der Insel ist dagegen wesentlich geschützter und damit der natürliche bzw geeignete Zugang zum Eiland.
Auch für meine Vorfahren hatte der Kniep auch schon eine grosse Bedeutung . Die alten Amrumer fuhren meistens zur See oder waren bettelarm, hatten eine Kuh und Hühner. Das karge Land hingegen konnte nur wenige Menschen ernähren. Vogelkoje und Fischfang waren die übrigen Ressourcen. Strandräuberei wurde bestraft. Bergelohn gestrandeter Frachtschiffe war außerordentlich einträglich.
Für uns Kinder war es ein besonders prickelndes Gefühl, frisch angeschwemmtes Strandholz vom Kniep (über 1m lang war es abgabepflichig) am alten Strandvogt Boy Hennerk vorbei, in den Dünen zu verstecken. Strandraub (wir nannten es strunluupen - deut.strandlaufen) war zu keiner Zeit etwas Unehrenhaftes für die Amrumer, vor allem, als die Westerharde noch dänisch war (Jürgen Rath...doch stehlen können sie meisterlich). Ab 1869 verlangten die mittlerweile preußischen Beamten dann ein Drittel vom Bergelohn und wurden damit selbst Teilhaber oder Nutzniesser der Strandräuberei am Gut der Schiffseigner bzw an der Reedereien, wenn es sich um eine Strandung handelte, was neben anderen unangenehmen Eigenschaften der Preußen Ihrem Ansehen bis in die Generation meiner Großeltern sehr geschadet hat.
Auf der alten Post Karte aus dem Kaufmans-Laden Jan Simon Jannen findet man die Positionen der RETTUNGs Stationen mit möglichst kurzem Weg zum Wasser. Der norddorfer Strandhafen mit FAMILIEN-Bad und die Dampferbrücke nach Sylt bzw Hörnum. Unter der Odde in dem tiefen Priel dicht unter Land ein geschützter Ankerplatz ( als Schutzrede gekennzeichnet) den ich nachts und bei unsichtigem Wetter schätzen gelernt habe.
der RETTER der norddorfer Station wurde mit Pferd und Wagen über eine hölzerne Rampe (Lafette) geslippt. Der Bootswagen hing an einer Winde. DGzRS (deut. SeeNotRettungsGesellschaft) seit 18.10.1867 zunächst am Nebeler Strand eingerichtet (und 2x wegen der Versandung des Kniephafen verlegt, erst nach Batje Stieg (Hörn) und schließlich nach Norddorf. Die ersten vier Rettungsboote waren Ruder-Segelboote, später bekamen sie einen Hilfsmotor. Die Besatzung bestand aus Freiwilligen. In den Logbüchern u.a. von W .Rulow Peters finden sich allerdings auch Eintragungen mit dem Vermerk Heuer-Retter.
Erst Ende des vorletzten Jahrhunderts entwickelte sich der Tourismus. Anfangs wurde vom Hörnumdampfer ausgebotet, später gab;s richtige Landungsbrücken in Norddorf und dann wesentlich geschützter am wittdüner Nordstrand. Zuvor war der Wattweg Norddorf-Süderende die Hauptversorgungsader, mit Pferd und Wagen oder zu Fuß.
Vor über hundert Jahren waren die Postkarten-Macher mehr an Informationen , denn an schönen Farben interessiert, die Beschriftungen wie von Kinderhand gemalt. Man erkennt in Vergrösserung die beiden watt-seitigen Brücken. Der heutige Tonnenhafen war ein breiter Drainage- Priel der wittdüner Marsch. Die grosse heute südlich von Wittdün gelegene Sandbank (der Kapitän) war noch nicht angeflanscht. Der Eisenbahn-Weg über den Kniep führte zum süddorfer Strand
Zu Kaiser Wilhelms Zeiten (sein trinkfester Bruder Prinz Heinrich war einmal mit seinem Hofstaat auf der Insel, die dänischen Könige allerdings mehrfach) fuhr eine Inselbahn über den Wittdüner Kniep zum Badestrand. Die Schienen waren an lotrecht in den Sand getriebenen Pollern fixiert. Der Weg hatte durch Springfluten und Sandsturm keinen längern Bestand. Das Foto stammt, wie fast alle historischen Aufnahmen aus nicht verkauften Postkarten meines Großvaters Jan Simon Jannen, die dort in seinem ehemaligen Laden auf dem HUGA BÖN, unter dem Dach-Boden ausgelagert waren. Diese Kammer war für mich ab etwa 5 Jahren nur über eine steile Holztreppe zugänglich und für mich voller Schätze. U. a. Schellack-Schallplatten und mechanische Plattenspieler.
Rumpelkammer eines Strandläufers" 1919
Johannes Leonhard Matzen s Werkstatt um 1900 (Segelmacher und Takler) Wittdün; gemalt von Leo s Onkel H. Nachtigal. Ein Großteil der Hölzer sowie der Rettungsring dürften vom Strand stammen.
re unten eine Fisch- Reuse.
Auf der Holzbank allerlei Werkzeuge. Das Bild riecht förmlich nach Leinöl, Holz und Salzwasse
Die Zeichnung stammt aus dem Buch KINDER FRIESLANDS von Ida Chistine Matzen, Vorfahren von Leonore geb. Matzen. Es erinnert an eine wie von Kinderhand gemalten Skizze. Sie ist bar jeglicher Topographie. Nicht mal ein besoffener Seemann hätte so eine missweisende Karte aufgemalt. Den alten Amrumern war allerdings bekannt, dass Ida Christine niemals zur See gefahren ist. Interessant ist jedoch die korrekte Aufzählung der Reihenfolge der originalen (nicht verdeutschten) Bezeichnungen der Sände und Gaten, die wie Straßen vom Erzähler beschrieben und offenbar so von Ida aufgemalt wurden. Auch die Barke auf Siasun ( damalige Ansteuerung von See) für das Smäl Jiip (deut: Schmal Tief), die mehrfach entfernt wurde, um feindliche Flotten-Alliance (Preußen und Österreich) die Zufahrt nach Amrum zu maskieren, ist vermerkt. Der dänische Kapitänleutnant O.Chistian Hammer fand Unterschlupf auf den Inseln. Auch das Ziel der See-Fahr-Wege ist interessanterweise mit unSia (deut. nach See) angegeben, und nicht mit dem nächsten Hafen. Eine Abhandlung über die Orts-u. Flurnamen findet sich bei A. Schmidt Petersen
Der Kniepsand voraus erscheint hier wie ein einsames leeres weißes Band. Heute ist er die Haupt-Versicherung und Einnahmequelle der Amrumer durch die Badegäste. Nicht nur im Winter wie im Frühjahr ist der Kniep noch menschenleer, nur nach 1std Fußweg durch Dünen und Strand erreichbar. Der Tidenstrom läuft hier in beiden Richtungen parallel zum Kniepstrand, so dass wir hier mit kleinen Fahrzeugen gut zurechtkam und problemlos auf die vorgelagerten Bänke kommen konnte.
Manchmal wenn die Abkürzung zu knapp gewählt wurde, bleibt man hier auf dem Wittdün-HörnKniep ungewollt ein paar Stunden auf Schiet liegen. Wenn ein Südwest-Sturm aufzieht, ist das hier allerdings kein guter Ankerplatz. Dann muss man einen fest eingegrabenen Anker mit langer Kette ausbringen. Es droht dann über eine hässliche Brandungs-See über das Schiff zu schlagen. Die Brandungs-Welle hebt das Boot hoch und lässt es danach wieder auf den harten Sandgrund auf-stampfen. Alles wird dann NASS, wenn man de boot nicht seefest abgedichtet hat. So erging es JOHANNA 2008 auf dem Sören Jessen Sand vor Fänö; nachts um 300 auf schiet; 3 meilen vor dem Zielhafen Nordby. Unvorsichtigerweise hatte ich ein Cello für ein Konzert in Dänemark unter Deck. Zum Glück kam danach 3 Tage Sonnenwetter.
die WATT-SEITE der amrumer Küste
Der alte Wittdüner Naturhafen.
Wenn ich nachts im Dunkeln bei HW anlande, bin ich nach einem langen Ritt über die Nordsee häufig zu müde und faul, noch an Land zu gehen, oder bei unsichtigem Wetter im Hafen fest zu machen. Die Familie an Land d.h. Zuhaus an der Kante hört das Ketten-Gerassel , dreht sich dann beruhigt im Bett um und kann ungestört weiterschlafen.
Wie in alten Zeiten auch bei Osten-Wind ist hier immer noch ein guter Ankerplatz. Man findet hier noch kleine Reste halbwegs kleifreiem Grund. Der Anker hält hier gut. Nach Tidenwechsel guckt man 180 grad verdreht raus. Die Petroleum Lampe ist am nächsten Morgen aus. Heute pöhnen hier die Fischer hier ihr Unterwasserschiff,
wenn das Not tut
1893 Steenodde Anleger, im Hintergrund das junge Wittdün, mit dem Kurhaus auf der Südspitze
Einmal die Woche fuhr ein Postschiffer Wyk-Wittdün, später dann 2-5x pro Woche eine Fähre.Johannes Osswald. Leo, s Urgroßvater war Post-Schipper. Er war einer der ersten Amrumer, die am wittdüner Nordstrand ein Haus gebaut haben. Vermutlich weil er von hier aus den kurzen Weg zu seinem Fahrzeug hatte, und mit Hilfe der starken Tide und wenig Wind problemlos nach Wyk und zurück kommen konnte.
Wittdüner Holzbrücke ca 1910 mit dem festgemachten Bäderdampfer SILVANA
Die Tegel aus Leo s Feder, d.h. auf witjes (natur-krumme Fliesen mit welliger Oberfläche) gebrannt. Früher waren die Brücken im Tidengewässer noch an die Strömungs-richtungen der Priele angepasst. Das meint mit einem schwungvollem Bogen, der den angreifenden , im Sturm übermächtigen Kräften des Tidenstromes standhielt.
TEGEL-Tableau in Arbeit.
Trockenfallen in der Wittdn-Steenodder Bucht war vor dem Brückenzeitalter üblich. Hier ein 2Mast (schoner) Frachtsegler unter dem wittdüner Nordstrand trockengefallen. Die Lasten konnten hier auf festem harten Sand-Watt mit Pferd und Wagen mit Hilfe der Dirk als Kran-Baum (holländisch deswegen als Kranleine bezeichnet) an Land kommen. Heute ist dieser alte Natur-"hafen" zunehmend mit einer Klei-Schicht bedeckt. Man findet hier bei Niedrigwasser noch alte mit seepocken überwachsene barfussfeindliche Steinhaufen-Reste, möglicherweise Backstein-Bruch. Der Schoner auf dem Fliesen-Tableau wurde vermutlich in Cuxhafen auf der MÜTZFELDT-WERFT (ab 28. juli 1802 bis heute in Arbeit) gebaut, die auch als Helgoland-Versorger dienten.
Tegel-Arbei Fortschnitt, man erkennt schon mehrere trockengefallene Fracht segler
Ebbe und Flut , d.h. die Tide ist und war früher noch viel Wichtiger füf die Wattenmeer Inseln, in der Zeit, da es noch die weissen Segel, richtiger der unsichtbare Wind war, die das Schiff vorwärts brachten und der die Mobilität der Menschen , ihre Beweglichkeit und ihre Sinne bestimmte.
Das Namensbrett von Leo s Haus stammt von Saskia Rüth. Die Eiche hat Hans Rickleffs aus Stennodde für sie ausgesucht.