Buch    kapitel 3

Amrumer FREY heit

Frey aus der nordischen Götterwelt ist nicht nur zuständig für Sonne und Regen  sondern vor allem auch für die Pflanzenwelt und  für das Wachstum der Ernte

So wurde sie als eine der wenigen öffentlich bekannten Anti-Nazies  1946 nach dem Krieg von den englischen Besatzungsbehörden in den ersten neuen Gemeinderat eingesetzt. Sie hielt sich auch dort mit ihrer häufig undiplomatisch vorgetragenen Meinung selten hinter dem Berg zurück, so dass sie heutzutage  in einer demokratischen Wahl wohl keine Chance gehabt hätte. Ihr ausgeprägtes Selbstbewusstsein, Mut und Gottvertrauen hat sie an uns  weitergegeben, so dass sie mich als 11 jähriger allein von Amrum auf s Festland , d h auf die Reise zum Gymnasium schicken konnte, mit einem Pappschild vor der Brust:" Hannover Hbf, wird dort abgeholt". Eine Anweisung für den Zugschaffner bzw ein Transport-Hinweis, wie er damals nicht unüblich war. Sie hatte keinerlei Minderwertigkeitsgefühle. Verachtete Mitmenschen insbesondere die vom Festland, wenn sie mit Schulbildung prahlten.  Ihrem Mann zu liebe, dessen Kassenzulassung als Hausarzt in Norddorf  vom Ex-Obernazi DR. W.I verwehrt wurde,  gab sie nach 15 jahren Selbständigkeit schweren Herzens das Geschäft auf und an meine Schwester weiter. Damals bestanden die Männer auf Familienchef-Anerkennung. Meine Mutter war jedoch  finanziell wesentlich erfolgreicher.

 Studierte -Menschen, die nicht von ihrer Hände Arbeit lebten, begegnete sie mit Misstrauen, was in ihrem späteren Leben  zu allerlei Konflikten als Ehefrau eines Generalarztes auf der Bonner Bühne führte. Mein Vater war 1956 seiner preussischen Gesinung gefolgt, und zur Bundeswehr auf s Festland gezogen. Nach seiner Verabschiedung als General wurde er auf Amrum u. a. wegen seiner bekannten  Unbestechlichkeit einstimmig zum Amtmann gewählt. Er  mußte Friesisch lernen und  beherrschte die Sprache perfekt.

Keinen unnötigen Respekt vor Rang und Titel zu haben, zeichnete viele alte Amrumer aus. Großen Respekt hatte sie nur vor der SEE, die den Frauen ihre Männer nimmt, was eine allgegenwärtige Erfahrung amrumer Frauen war.

 

Ida Brigitta Amanda Jannen, geb.Quedens, Jan,s 4 jahre  jüngere  Jugend Freundin aus dem Nachbarhaus in Nebel überredete Ihn zurück zu kommen, um mit ihr zusammen in Norddorf einen Kaufmanns-Laden zu übernehmen, da die beiden alten Damen des kleinen Hökerlandens am norddorfer Watt überfordert seien. Norddorf  war inzwischen Kurbad geworden. Nach Bericht meiner Oma, hatte Jan über 1000 Golddollar mitgebracht. Ein Teil dieser goldenen Altersvorsorge  mussten sie 45 jahre später vor den Nazies draußen  im Garten, und zwar im HannHock (Hühnerhaus) verstecken. Meine Mutter erzählte mir, daß der besonders giftige nebler Obernazi Günter I. mit seinem Pferd in den Laden gekommen sei, um sich diesen, offenbar bekannten Schatz  für seine deutschen Kriegszwecke zu holen.: "di grat jillknieper van jan simon skell wi nü fo". (zu deutsch Geld her) was ihm trotz allerlei weiteren  Droh-Gebärden nicht gelang. Meine Oma regelte immer die praktischen Dinge des Alltags. So hatte Sie und nicht ihr Mann den übel riechenden Hühnerstall als  optimales Gold-Versteck ausgewählt. In ihren jungen Jahren nach der Geldentwertung bzw Inflation, sorgte sie dafür, daß immer Dollar-Noten in der Kasse waren.  Ihre Kinder so meine Mutter wurden im Dorf deswegen Dollarmädchen genannt.

Später als alte Frau hatte sie viel Verständnis und Zeit für mich und sogar damals nach dem Krieg besonderes kostbar: Papier an Pockluad (Bleistift) zum Malen. In der Volksschule hatten wir nur eine Schiefertafel mit fest angebundener Griffel zu schreiben. 

Später dann als ich etwas älter war, mußte ich morgens früh um 800 uhr zum Doard (Frühstück) an Deck  sein, für Brennholz sorgen, Gartenzaum mit Sikasit von Hanje Grönwold - unserem Dorf-Malermeister -grün anmalen und im Frühjahr für Möweneier sorgen. Ome Ido machte mir sonst keine weiteren Vorschriften, weswegen ich sommers über bei Tycho und nicht im Geschäftshaus meiner Mutter gewohnt habe, ausserdem hatte Sie damit Gesellschaft.

 Sie erzählte mir, dass Sie (1893) im ersten Geschäfts-Halbjahr, noch nicht verheiratet, Sommers über jeden Tag von Nebel aus nach Norddorf zu Fuss zur Arbeit gelaufen sei. 1892/93- nach den Aufzeichnungen meiner Mutter-baute Jan Simon  am Dorfrand zum Watt ein geräumiges Wohnhaus mit Kramladen (heute Haus Kapitän Jensen). 14 Jahre später bauten sie dann Ihr Warenhaus JAN SIMON JANNEN, das heute noch in 5. Generation in der Familie meiner großen Schwester Else und ihren Kindern und Enkeln weiter geführt wird.

Der Stundenlohn der Mauerleute für ihr neues  Warenhaus  habe wenige pfennige gekostet. Ein Brot kostete etwa 10 pf. Der Baupreis betrug 800 Goldmark.

1956 Zwerg-Volksschule Norddorf 1.-4. und 5.-9. Klasse jeweils in einem Raum.

Die Großen haben die Kleinen angeleitet und im Winter den Ofen versorgt. Hier lernte man Deutsch. Wichtige Dinge hingegen wurden aber nur auf Friesisch besprochen, wie z.B. der Notruf: gung gau tüss an haale Atj ! wenn Prügel vom Lehrer drohten (Renn nach Haus und  Hol Vater zur Hilfe !). Hinten die Sturmglocke mit Reetmütze, die früher u.a.  im Seenotfall, die Manschaft des Retters alarmierte. Heute nur zu HULKINJ - Jahreswechsel für die Badegäste in Betrieb.

 

 

Oben: heidi blank, monika dietje, erika paulsen, geoline schau, gunda willhun, gükke fisch, uwe decker, willem ruempler, heinzi schuldt. unten: renate peters, kerrin martinen, inge peters, ingke martinen, marlies jannen, knuti görgens(dahinter), gerald dietje, wimme hölk, ,john willhun,  jantje ruth, boynie wolf       Lehrer Herrman Wöbbe und  Achi Paulsen                 beide hatten ein Holzbein aus dem Krieg mitgebracht.

 

Viktor Quedens ( nicht verwandt mit dem  Fotographen) abgetakelte Barkasse MÖWE im vereisten Norddorfer Watt. Wir bekamen als Kinder  einen Groschen als Lohn von dem alten Schipper und Strandräuber, wenn wir im Herbst und Frühjahr ins Watt liefen und den Diesel durchkurbelten, damit der Kolben sich nicht festsetzte. Von Frühjahr bis Herbst wohnte er in einer Strandholz-Hütte mit Ofen auf der Odde, wo er Strandholz mit weit sichtbarer Qualm- Wolke verbrannte.  Heute wird man hier von Vogelschützern weggejagt, wenn man nur über die Dünenkante gucken will. Wenn das Rohr nicht qualmte, war Victor nicht auf der Odde. Seine 3 Schiffe hießen alle MÖWE.

Auf dieser alten DHI karte von 1960 ist der Priel rund um die Odde noch gut zu erkennen. Der Tidenstrom führt U-förmig längs der Kante.  Hat noch den friesischen Namen Aad für die Nordspitze.

In der  Nachkriegszeit war die Nordsee-Perle  ein Paradies für uns Kinder. Da die Erwachsenen von morgens bis abend arbeiten mussten, sind wir sozusagen  in freyer Wildbahn groß geworden. Bei meiner Großmutter Ida  konnte ich kommen u. gehen, wann ich wollte.  Am Wochenende kamen Nachbarn aus Nah und Fern zum Vasitt und erzählten Geschichten auf friesisch mit amerikaans vermischt von der großen weiten Welt, die wir als kleine Jungs unter dem Stubentisch versteckt, mit großen Ohren belauschten. So war unser Nachbar Tewe (Theo) Borg ein besonders spannender Geschichtenerzähler: Er war schon als Junge to sia. Nach der ersten Kap Hoorn-Rundung mit 4 Mast Vollschiff 1914 vor Chile interniert; abgehauen, in die Anden geflohen, dort in 6000 m Höhe als einziger Weißer in Schwefelmine gearbeitet; erst 1919 vom Kriegsende erfahren; und schließlich mit norweger 3-Mast Bark über Australien und Cape Town zurück.  Der ereignisreiche Törn hatte über 7 Jahre gedauert. Inspiriert durch diese und ähnliche Geschichten der Alten hatten wir als kleine amrumer Jungs nie das Gefühl, hier auf der Insel hinter dem Mond zu leben. Englisch und Spanisch hatte so schon  für uns Insel-Kinder einen vertrauten Klang.

 

 

In den Augen meiner Oma waren  Autoritäten, bzw anerkannte Persönlichkeiten in erster Linie erfolgreiche See- u. Kaufleute, dann kam erst Lehrer und Pastor. Die exotische Insellage, unsere eigene Sprache, ihre weitgehend unabhängige, teils dänische Vergangenheit formte uns Kinder, weit weg von dem, was heute als Schule betrachtet wird.

Raubfahrt zur gestrandeten PELLA

 1964  strandete die PELLA in der Westerbrandung dicht am Rütergat. Sie war ein sogenanntes - Libertyschiff d.h. ursprünglich US-Truppentransporter im 2. Weltkrieg, schließlich liberianischer Erz- Frachter. Mit Knudt Pörksens einfach getakelter Segeljolle sind wir zu dritt mit ablaufendem Wasser zum südlich von Wittdün havarierten Dampfer gesegelt, auf Beutejagt. Die Ladung und vor allen Dingen die verbliebene Ausrüstung  interessierte uns am meisten. Dabei folgten wir, ohne skrupel den räuberischen Fahrten unser Vorfahren. Heute würde man das wohl anders nennen.

Der griechische Navigator der PELLA wähnte sich bei unsichtigem Wetter vor der Elbmündung, und drehte  deswegen südlich  Amrum nach Osten ein. Die PELLA, hatte im Mahlsand der Westerbrandung keine Chance; brach nach wenigen Tagen mittendurch  in 2 Teile. Harry Tadsen aus Steenodde war Vormann auf dem Rettunskreuzer BREMEN. Er hatte ahnungsvoll gegen den Willen der griechischen Reederei  vor Anker abgewartet. Das Wrack war sofort Ziel nicht nur amrumer Raubzüge. Unser Schipper stammt aus einer ehrenwerten heiligen nebeler Familie (ältester Pastors Sohn), wurde später selber ein angesehener Föhringer (Schulrektor). Wir segelten viele Jahre später Wettfahrten im Watt aus. Obwohl seine  RÖDE ORM viel kleiner war, kam er häufig vor mir am Ziel an, da seine bei Koijman & deVries gebaute 8,10 m Vollenhovense Bol weniger Tiefgang hat, so daß er damit viel früher um die Odde (Nordspitze)  kam.. 

 

 

historische Ansicht wittdün von Süden aus, Nordseehandbuch 1975 DHInstitut  HH

1966 drittes etwas kleineres Hukka Höske  in  den unberührten flachen Primärdünen nah an der Wasserkante. Es war immer noch groß genug für 2 Leute. Die alte grössere Hütte  an der Dünenkante musste wegen einer polizeilichen Anzeige in einer Nacht und Nebelaktion abgerissen werden. Angezeigt worden war ich vermutlich von einem  meiner StrandholzKonkurrenten. Einen Tag vor der angekünndigten polizeilichen Inspektion, bekam mein Schwager Peter Böhling Wind davon und gab 10 DM aus, damit sich mein illegales Bauwerk zu einem unverdächtgem Strandholzhaufen umwandeln konnte. Als ich in den Herbstferien vom Festland zurück kam, waren alle guten Bretter weg, geklaut.

  Dieser neue Bau-Platz am Wasser war hier sicher vor unserem Insel-Polizisten, Dorf-Sheriff,  da sein Motorroller nicht durch den weichen Sand der Vordünen kam, und stecken blieb.

In den 60ziger Jahren hatte das angetriebene Holz für den Strandvogt seinen Wert verloren, so daß es reichlich davon gab. Hier wieder in Höhe vom Quermarkenfeuer (fries. letj ialtörn) war ich dichter am Wasser, bzw auch an meiner Jolle. Zu der Zeit ein 2 sitziges Klepper-Faltboot mit Ausleger und kleinem Hilfssegel, das ziemlich klapperig war und nur bei badewannenartig ruhiger See zu gebrauchen war. Vorteilhaft war aber das geringe  Gewicht.

Für die normalen Badegäste war der Weg hierhin viel zu weit. Süßwasser und Proviant mussten wir ziemlich weit durch die Dünen schleppen,  so wie Pütt un Pann, und was man sonst noch so nötig hatte. 

 

Beim Nachlesen  in ihren alten Briefen war es ein Cordhemd und das Hokkahoeske bezeichnete sie als das Haus mit dem schönsten “geteertem”  Garten der ganzen Welt (dem Kniep) Ihr Vater war Gartenarchitekt.

Inzwischen ano 1970 war meine Großmutter Ida Brigitta Amanda gestorben. Die letzte Woche ihres 94 jahre währenden Lebens war ich bei ihr in Tychos Hüss. Nach einer stürmisch unruhigen Phase - deswegen war ich hoch auf die Insel gekommen- ist Sie dann ganz friedlich abgesegelt. Danach hab ich kein neues  hokka hoeske mehr gebaut. Hatte mittlerweile grössere und etwas seefestere Segelschiffe im Kopf: Hölzerner Kimmkieler , 6.80 m LÜA ,  in Ungarn gebaut, ohne Maschine  für 4000 DM vom Pastor aus Marienhafe, Ostfriesland,  aus 3. Hand. Rundhölzer intakt, Segel schrottig, deswegen erschwinglich, so  wendete  sich mein Blick nach Südwest.

Skizze von 1893 mit der ersten Bebauung wittdüns mit dem markanten Kurhaus auf der Südspitze und dem auffälligen schlanken Spitzturm des Hotel Viktoria